ADHS-Pflegestufe: Wissenswertes zur möglichen Unterstützung

ADHS ist eine der am häufigsten auftretenden psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. Ungefähr 2 bis 6 Prozent aller Minderjährigen leiden an der Störung. Viele Betroffene benötigen mehr Unterstützung durch Eltern oder Erziehungsberechtigte als gesunde Gleichaltrige. Auch die geistige Entwicklung muss mitunter stärker gefördert werden. All das nimmt viel Zeit und Kraft in Anspruch. Doch die meisten Verantwortlichen fühlen sich damit allein gelassen. Dabei gibt es die Möglichkeit, bei ADHS eine Pflegestufe zu beantragen.

Inhalt

ADHS: Vielschichtige Krankheit mit zahlreichen möglichen Symptomen

Der Begriff ADHS ist eine Abkürzung und steht für Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung. Sie zählt zu den psychischen Erkrankungen und wird meist im Kindesalter festgestellt. Betroffene leiden in der Regel ihr Leben lang an den Begleiterscheinungen der Krankheit, können jedoch mit wachsender Erfahrung und individuellen Herangehensweisen die Herausforderungen mindern. Manche Erkrankten erhalten die Diagnose sogar erst im Erwachsenenalter. Das hängt vor allem damit zusammen, dass ADHS eine sehr vielschichtige Krankheit ist, die sich in vielen unterschiedlichen Symptomen äußert. Nicht jeder zeigt die gleichen Anzeichen. Das Stellen einer Diagnose kann sich deshalb als schwierig erweisen.

Der Schweregrad der Erkrankung

Jede Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung ist anders und Betroffene reagieren auf verschiedene Einflüsse ganz individuell. Trotzdem ist die Krankheit in drei unterschiedliche Schweregrade eingeteilt:

  • Leichte ADHS
    Es liegt keine ausgeprägte Symptomatik vor, doch die Erkrankten leiden an einer stärkeren Konzentrationsschwäche.

  • Mittelschwere ADHS
    Hier treten die Symptome deutlich auf, sie wirken sich jedoch nicht auf das Sozialverhalten der betroffenen Personen aus. Ihnen fällt es jedoch schwer, anspruchsvollere Berufe auszuführen, obwohl sie in der Regel über einen hohen IQ verfügen. Bleibt die Störung unbehandelt, liegt vermutlich ein hoher Leidensdruck vor.

  • Schwere ADHS
    Einige der typischen Symptome sind stark ausgeprägt. Außerdem neigen Erkrankte dazu, ein Suchtverhalten zu entwickeln. Auch das Sozialverhalten ist gestört.

 

Typische Symptome

Zu den typischen Symptomen zählen vor allem

  • Konzentrationsprobleme
  • Verträumtheit
  • Ängste
  • Depressionen
  • Impulsivität
  • Hyperaktivität

Einzelne Symptome können unterschiedlich stark ausgeprägt oder gar nicht vorhanden sein. Deshalb kann sich der Weg zur Diagnose herausfordernd gestalten.

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Pflegegradantrag stellen

Zuallererst gilt es, einen Pflegegradantrag zu stellen. Falls Sie sich jetzt schon seitenlange Formulare wälzen sehen – keine Sorge: Dafür genügt zunächst ein formloses Schreiben oder ein Anruf bei der Kranken- oder Pflegekasse des Betroffenen. Ist derjenige noch minderjährig, übernehmen die Eltern bzw. die Erziehungsberechtigten die Beantragung. Sind die Pflegebedürftigen bereits volljährig, müssen sie den Antrag selbst stellen, sofern sie dazu geistig in der Lage sind und keine Vollmacht vorliegt.

Die gesetzliche Bearbeitungsfrist für einen Antrag auf Feststellung der Pflegebedürftigkeit beträgt 25 Arbeitstage. Verkürzungen sind möglich, zum Beispiel wenn sich die Betroffenen im Krankenhaus oder in der Reha befinden und die weitere Versorgung sichergestellt werden muss. Hält die Pflegekasse die Fristen grundlos nicht ein, stehen den Antragstellern Ausgleichszahlungen von aktuell 70 Euro pro angefangener Woche zu.

Die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst

Um festzustellen, ob die Erkrankung an ADHS eine Pflegestufe rechtfertigt, beauftragt die Pflegekasse einen Gutachter. Dieser kommt entweder vom Medizinischen Dienst, vom Sozialmedizinischen Dienst oder ist freiberuflich tätig. Die Begutachtung findet stets in der Wohnung des Erkrankten oder in der jeweiligen Pflegeeinrichtung statt. Wichtig: Der Gutachter besucht Sie nur nach vorheriger Terminvereinbarung, niemals unangekündigt! Sie können sich also immer gut darauf vorbereiten.

Punkte, die bei der Beurteilung von Bedeutung sind:

Mobilität

Hier prüft der Gutachter die körperlichen Fähigkeiten der Person mit ADHS. Kann sie eine Körperhaltung einnehmen und sich ohne fremde Hilfe fortbewegen? Dabei zählen lediglich die motorischen Aspekte wie Balance, Körperkraft und Bewegungskoordination. Wie zielgerichtet sich die Person fortbewegt, ist dabei erst einmal nicht relevant.

Kommunikative und kognitive Fähigkeiten

Danach stehen die kognitiven Fähigkeiten auf dem Prüfstand. Kann sich die Person orientieren? Weiß sie, wo sie ist und wer sie ist? Auch die zeitliche Einordnung spielt eine Rolle. Weiterhin wird geprüft, ob sie Gefahren erkennt, elementare Bedürfnisse äußert und sich an Gesprächen beteiligt.

Psychische Problemlagen

Welche psychischen Auffälligkeiten bestehen? Dazu zählen ungewöhnliche motorische Verhaltensweisen, Ängste, Unruhe oder Autoaggressionen. Doch auch Antriebslosigkeit und ein abwehrendes Verhalten können oft beobachtet werden. Gerade letzteres kann die Pflege durchaus erschweren.

Eigenständige Versorgung

Die Selbstverpflegung ist bei ADHS-Patienten eher selten beeinträchtigt. Doch kann es Erkrankten zum Beispiel während depressiver Episoden schwerfallen, sich selbst ausreichend zu versorgen. Bei Kindern mit ADHS kann es neben einer motivierenden Haltung erforderlich sein, Hygiene- und Ernährungsroutinen zu unterstützen oder sogar ganz zu übernehmen.

Selbstständige Bewältigung der Anforderungen, die die Krankheit und Therapien mit sich bringen

Hierbei spielt eine große Rolle, ob die Begutachteten ihre Medikamente eigenständig einnehmen, Arztbesuche allein wahrnehmen können und Therapien selbstständig durchführen. Essenziell ist auch, ob sie in der Lage sind, ihre eigenen Körperzustände richtig zu interpretieren und somit Veränderungen zu erkennen.

Gestaltung des Alltags inklusive sozialer Kontakte

Wie kann die begutachtete Person ihren Tagesablauf gestalten? Wie reagiert sie auf Veränderungen? Wie verhält sie sich im direkten Kontakt mit Bekannten und Fremden? Fällt es ihr leicht, mit Menschen außerhalb ihres direkten Umfelds in Kontakt zu bleiben? Diese Punkte und zahlreiche weitere Faktoren spielen eine Rolle bei der Einordnung der sozialen Fähigkeiten und bei der Frage, wie viel Unterstützung im Alltag benötigt wird.

Anhand dieser Punkte ermitteln die Gutachter, ob und wie häufig eine personelle Unterstützung vonnöten ist. Gerade bei Kindern kann es sich lohnen, hin und wieder auf eine pflegende Kraft zurückzugreifen. Das kann zur Förderung beitragen und auch die Eltern entlasten. Die genaue Pflegebedürftigkeit ist sehr individuell. So sind Menschen mit ADHS häufig relativ selbstständig und weisen nur in manchen Bereichen ihres Alltags Defizite auf. Wo genau, hängt oftmals direkt mit der jeweiligen pflegebegründeten Diagnose des Syndroms zusammen: Leidet die Person eher an Hyperaktivität, an Unaufmerksamkeit oder an Impulsivität? Daraus lassen sich bereits viele Bedürfnisse gut ableiten. Doch ein genaues Gutachten ist essenziell und entscheidet darüber, ob die Person selbstständig, überwiegend selbstständig, größtenteils unselbstständig oder gar sehr unselbstständig ist.

Unser Tipp: Pflegetagebuch führen

Die Zeit, die den Gutachtern pro Patient zur Verfügung steht, ist begrenzt. Nicht alle Faktoren können dabei Beachtung finden. Deswegen ist es sehr wichtig, dass Sie sich als pflegende Eltern oder pflegendes Familienmitglied im Voraus intensiv mit der Erkrankung ADHS, den Pflegestufenvoraussetzungen und den individuellen Eigenheiten des Betroffenen auseinandersetzen. Bereiten Sie dafür die Krankheitsgeschichte so nachvollziehbar wie möglich auf und führen Sie am besten für einige Zeit ein Pflegetagebuch. Darin halten Sie fest, wie und in welchem Umfang Sie Ihr Familienmitglied täglich unterstützen und versorgen. Das kann helfen, damit der Gutachter ein umfangreiches Bild von den Auswirkungen der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung des jeweiligen Patienten erhält.

Die Einteilung der Pflegegrade

Während der fachlichen Einschätzung vergeben die MD-Gutachter für jedes der oben genannten Module eine Punktzahl. Dabei gilt: Je höher die Punkte, desto unselbstständiger der Patient. Alle Bereiche werden mit einer unterschiedlichen Gewichtung addiert und ergeben so den möglichen Pflegegrad.

Punkte

Pflegegrad

12,5 bis unter 27

1

27 bis unter 47,5

2

47,5 bis unter 70

3

70 bis unter 90

4

90 bis 100

5

Wichtige Fragen zur ADHS-Pflegestufe

Welche Unterstützung wird bei ADHS erforderlich?

In Kombination mit ADHS schrecken viele Betroffene oder Eltern von Erkrankten davor zurück, einen Pflegegrad zu beantragen. Schließlich verbinden wir mit dem Begriff der Pflege eher ältere Menschen. Doch das Pflegegeld kann ganz unterschiedlich Verwendung finden und somit unterstützen. So können Sie damit Therapien wahrnehmen oder eine Betreuung organisieren. Oftmals ist es für die betroffenen Eltern schon eine große Erleichterung, wenn sie eine Haushaltshilfe einstellen können und dadurch mehr Zeit für die Förderung ihres Nachwuchses haben. Die finanzielle Unterstützung bei einer ADHS-Pflegestufe kann deshalb vielseitig genutzt werden.

Wann lohnt es sich, einen Pflegegrad bei ADHS zu beantragen?

Ein Antrag auf eine Pflegestufe bei ADHS ist dann sinnvoll, wenn die betroffene Person einen enormen Hilfebedarf aufzeigt. Das ist in der Regel vor allem bei Kindern der Fall, die an einer stärkeren Ausprägung der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung leiden. Sie brauchen besonders viel Unterstützung, da sich ihre Selbstständigkeit und ihre Fähigkeiten in der Regel stark von denen normal entwickelter Gleichaltriger unterscheiden.

Welcher Pflegegrad ist bei ADHS möglich?

Normalerweise wiegen die Beeinträchtigungen, die mit ADHS einhergehen, nicht schwer genug, dass ein Pflegegrad von der Pflegekasse gewährt wird. Eine Ausnahme bilden Kinder mit sehr stark ausgebildeter ADHS. Ein Pflegegrad ist hier unter bestimmten Voraussetzungen möglich. In Ausnahmefällen erkennt die Pflegekasse Pflegegrad 1 an, die niedrigste Stufe. Das aber auch nur, wenn der Betreuungsaufwand nachweislich und deutlich über dem eines gesunden Kindes liegt. Eine Einordnung in höhere Pflegegrade geschieht im Zusammenhang mit der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung nur selten.

Das Beantragen lohnt sich jedoch auf jeden Fall: Der Alltag als pflegende Eltern oder Erziehungsberechtigte ist kräftezehrend. Und nicht nur die allgemeine Betreuung geht an die Substanz – auch das intensive Fördern der geistigen Fähigkeiten der an der ADH-Störung erkrankten Kinder verlangt Verantwortlichen viel ab. Selbst kleinere Unterstützungen sind dabei schon viel Wert.

Antrag auf ADHS-Pflegestufe abgelehnt: Was nun?

Selbst bei guter Vorbereitung auf die Beurteilung kann es sein, dass Ihr Antrag auf eine ADHS-Pflegestufe abgelehnt wird. Ist das der Fall, können Sie innerhalb von vier Wochen Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid oder den Pflegegrad – sollte er Ihnen zu gering ausfallen – einlegen. Dafür müssen Sie das Gutachten des MD genau prüfen, um etwaige Auffälligkeiten oder Abweichungen aufzuzeigen. Nehmen Sie dafür ruhig professionelle Hilfe in Anspruch oder halten Sie mit den behandelnden Ärzten Rücksprache. Nach dem Widerspruch muss die Pflegeversicherung eine erneute Begutachtung beauftragen.

Hinweis

Alle Informationen auf dieser Seite sind ohne Gewähr, da sie gesetzlichen Änderungen unterliegen.

Die aktuellsten Gesetze und Informationen zum Thema Pflege beim Bundesministerium für Gesundheit finden Sie hier hier »

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