Grundlagen der Begutachtung
In Folge der Antragstellung auf Pflegebedürftigkeit wird von der Pflegekasse der Medizinische Dienst der Krankenkassen beauftragt, durch einen Gutachter den Betroffenen in Augenschein zu nehmen und ihn hinsichtlich gesetzlich vorgeschriebener Kriterien zu beurteilen. Anhand eines Punktesystems wird dabei die Pflegebedürftigkeit festgestellt und die Unterteilung in die entsprechenden Pflegegrade vorgenommen.
Mobilität gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 SGB XI
In diesem Bereich werden lediglich körperliche Befähigungen betrachtet. Für eine Bewilligung der Pflegebedürftigkeit geht es ausnahmslos darum, in welchem Maße der Patient in der Lage ist, eigenständig bestimmte Bewegungsabläufe selbstständig vorzunehmen und wobei Hilfe benötigt wird.
- Treppen steigen
- Bewegung in der eigenen Wohnung
- Umsetzen auf verschiedene Sitzgelegenheiten
- Beibehalten einer stabilen und sicheren Sitzposition
- Wechsel von Liegepositionen im Bett
- Die vorhandene Körperkraft, das Gefühl für Balance und Koordination fließen ebenso in die Begutachtung zur Pflegebedürftigkeit ein.
Kognitive und kommunikative Fähigkeiten gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 SGB XI
Die wichtigen Aspekte der Wahrnehmung stehen bei diesem Bereich im Mittelpunkt. Hierbei geht es nicht um motorische Fähigkeiten. Der Gutachter prüft den Betroffenen hinsichtlich Erkennen, Entscheiden und Steuerung von kommunikativen Aktivitäten. Da Pflegebedürftigkeit nicht auf einen Altersbereich begrenzt wird, ist es dabei auch unerheblich, ob die Fähigkeiten jemals erlernt wurden oder aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen verloren gingen.
- Erkennen von Menschen aus dem privaten Umfeld
- Räumliches und zeitliches Verständnis
- Erinnerungen an wichtige Ereignisse wie Termine oder vorangegangene Reminiszenzen
- Eigenständige Steuerung von Alltagshandlungen
- Treffen von Alltagsentscheidungen
- Verständnis für Informationen und Sachverhalte
- Risiko- und Gefahrenerkennung
- Elementare Bedürfnisse ausdrücken
- Aufforderungen verstehen und umsetzen
- Gesprächsbeteiligung
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 SGB XI
Auffällige Verhaltensweisen oder psychische Beeinträchtigungen, die in Folge eines Unfalls oder einer Erkrankung auftreten, werden in diesem Bereich in Augenschein genommen. Dabei ist hier besonders die Frage zu klären, in wieweit der Antragsteller sein eigenes Verhalten ohne fremde Hilfe steuern und kontrollieren kann. Auch ist die Prüfung vorzunehmen, in welchem Maß sich der Versicherte an Aufforderungen, ein bestimmtes Verhalten abzustellen, bereits nach kurzer Zeit nicht mehr erinnern kann oder ob er es von Beginn an nicht verstanden hat.
- Motorische Auffälligkeiten
- Unruhe in der Nacht
- Aggressionen gegenüber sich selbst, Gegenständen und anderen Personen
- Verbale Aggression
- Pflegerelevante Auffälligkeiten wie Weigerung oder Beschimpfungen
- Wahnvorstellung und Ängste
- Asoziale Verhaltensweisen
- Depressive Stimmungslage mit allen auftretenden Formen
- Selbstversorgung gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 4 SGB XI
Selbstversorgung gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 4 SGB XI
Hierbei werden der Antrieb und die Fähigkeiten des Betroffenen in Bezug auf Versorgung und Hygiene begutachtet. Besonders hervorzuheben sind die überlebenswichtigen Kriterien wie Nahrungsaufnahme und Ausscheidungen. Weitere zu begutachtende Punkte sind:
- Eigenständiges An- und Auskleiden
- Waschen, Duschen und Hygiene des Oberkörpers, Intimbereiches und Kopfes
- Selbstständige Zubereitung der Nahrung, Eingießen von Getränken
- Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme
- Nahrungsaufnahme über eine Sonde
- Benutzung von Toilette oder Toilettenstuhl
- Umgang mit Harn- und Stuhlinkontinenz, Dauerkatheter, Stoma und Urostoma
- Problemerkennung bei der Nahrungsaufnahme von Kindern mit einem außergewöhnlichen Pflegebedarf unter 18 Monaten
Erfüllen von krankheits- und therapiebedingten Anforderungen gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 5 SGB XI
Bei einem vorliegenden Krankheitsbild ist hier der Umgang mit den Therapiemaßnahmen zu betrachten. In welchem Maß kann der Versicherte die Anforderungen aus eigener Kraft durchführen oder wobei wird Hilfe benötigt. Dabei muss das Krankheitsbild für mindestens sechs Monate Bestand haben.
- Medikation und Injektion nach Vorschrift einnehmen
- Messen und Interpretieren von Fieberzuständen
- Verbandswechsel und Wundversorgung
- Umgang mit intravenösen Zugängen und körpernahen Hilfsmitteln
- Umgang mit Einmalkatheter und abführenden Methoden
- Arztbesuche und therapeutische Maßnahmen wahrnehmen, auch in häuslicher Umgebung – innerhalb von drei Stunden oder länger ausgedehnte Maßnahmen
- Einhalten von Diätvorschriften
- Frühförderung bei Kindern
Alltagsleben und soziale Kontakte gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 6 SGB XI
Die Beobachtung eines geregelten Alltags und der damit verbundenen Hürden werden im letzten Bereich in die Begutachtung über die Pflegebedürftigkeit eines Patienten einbezogen. Unerheblich ist dabei, ob die Beeinträchtigungen aufgrund von psychischen oder körperlichen Schäden eintreten.
- Tagesablauf gestalten und gegebenenfalls Veränderungen anpassen
- Regelmäßige Schlaf- und Ruhezeiten
- Selbstständiges Beschäftigen
- Zukunftsplanungen
- Regelmäßiger Kontakt mit Personen aus dem direkten Umfeld
- Soziale Kontakte außerhalb des direkten Umfeldes pflegen
Zusätzlich werden vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen noch Beobachtungen zur eigenen Haushaltsführung und außerhäuslichen Aktivitäten herangezogen, die allerdings keinen direkten Einfluss auf die Bewilligung der Pflegebedürftigkeit haben. Je nachdem, welcher Pflegegrad anschließend anerkannt wird, beurteilt der MDK zusätzlich den Pflegebedarf, falls zusätzliche Maßnahmen notwendig werden, dabei wird besonders berücksichtigt, ob ein vollständiger Verlust der Arm- und Beintätigkeiten vorliegt.
Beurteilung der Pflegebedürftigkeit anhand der Punktetabelle
- Pflegegrad 1: 12,5 bis unter 27 Punkte (geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit)
- Pflegegrad 2: 27 bis unter 47,5 Punkte (erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit)
- Pflegegrad 3: 47,5 bis unter 70 Punkte (schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit)
- Pflegegrad 4: 70 bis unter 90 Punkte (schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit)
- Pflegegrad 5: 90 bis 100 Punkte (schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen für die pflegerische Versorgung)